Social Entrepreneurship ist inzwischen nicht nur unter NGOs und alternativen Managern ein bekanntes Konzept. Dass Unternehmen nicht für den Profit der Banken und Aktionäre arbeiten, sondern einen Auftrag in der Gesellschaft haben und ihre Gewinnen stattdessen an Gemeinschaft, Soziales oder Kulturelles spenden ist immer anerkannter. In diesem Workshop stellen wir am Beispiel verschiedener innovatier, integraler und nachhaltiger Unternehmen neue Konzepte dar, wie Unternehmen und das Arbeitsumfeld der Menschen in Zukunft aussehen könnte.

Organisationsentwicklung im Verlauf der Menschheit

Mit steigender Komplexität unseres Zusammenlebens haben Menschen immer neue Formen gefunden, um die jeweils richtige Entscheidung zu treffen. Von Clanstrukturen und des Recht des stärkeren ( Drogenkartelle), über Starre militärische oder religiöse Hierarchien bis zur Basisdemokratie haben wir immer komplexere Systeme entwickelt und konnten dadurch immer komplexere Aufgaben lösen. Mit der steigenden Intelligenz und Kooperationsfähigkeit der Menschen sind auch die Unternehmen immer feiner vernetzt geworden, was mit der Digitalisierung natürlich einen enormen Boom erfahren hat. Wobei sich die zwanghafte, wachstumsorientiert Komplexität derzeit wieder etwas entflechtet und mehr auf den Einzelnen und dessen Gefühl für das Ganze zurück geht. Evolutionäre Unternehmen nennt man sowas.

Integrale (Teal) Organisationen

Frederik Laloux ist wohl der bekannteste Vordenker dieser neuen Art der Zusammenarbeit (New Work) und beruft sich häufig auf Ken Wilber, als der Begründer der “integralen Theorie”, als eine Weiterentwicklung der “Spiral Dynamics” der spiralförmig, dynamischen Gesellschaftsentwicklung. Zusammen ist daraus ein Konzept der Selbstführung entstanden, das darauf beruht, die Mitarbeitenden ganzheitlich, als ganze Menschen mit Gefühlen, Bedürfnissen, Interessen und auch Ängsten zu begreifen. Daher auch der Name Integral.

Folgende Grafik zeigt diese Entwicklung und wird auf next U  näher beschrieben. Daraus werden die Farbkennungen deutlich, auf die die Bezeichnung Teal zurück geht. Teal leitet sich von der Farbkennung der holistischen (ganzheitlichen) Entwicklungsstufe ab, die mit dieser neuen Form der Zusammenarbeit einhergeht.

Organisationsentwicklung im Verlauf der Menschheit.
Organisationsentwicklung im Verlauf der Menschheit.

Kernaspekte Integraler Unternehmen

Laloux hat drei Entwicklungsebenen definiert, die für Integrale Organisationen entscheidend sind:

  1. Ganzheit: Sein zu können, wer man wirklich ist, mit Interessen, Begeisterungsfähigkeit, Ängsten und Gefühlen. Diese Offenheit und das Vertrauen zu entwickeln bildet die Grundlage für Resonanzfähigkeit, wodurch jeder in das richtige Team für seine Potentiale kommt.
  2. Selbstführung: Entscheidungen nicht auf den Chef, andere “Experten” oder die Allgemeinheit ab zu wälzen, sondern selbst treffen zu dürfen, in Absprache mit allen. Verantwortung sollte der/die übernehmen, der am nächsten dran ist und am tiefsten drin steckt.
  3. Evolutionärer Sinn: Aus den ersten zwei Punkten und den Visionen der Mitarbeitenden und Stakeholder (Kunden, Geldgeber etc.) entwickelt jede Organisation ihre Mission, ihren Zweck und damit ihre gemeinsamen Ziele, die aber jeder individuel verfolgt. (Von außen vorgegeben Sinne und Ziele sind das definitiv nicht.)
Neuerfinden von Organisationen im Laufe der Zeiten

Karte von morgen der #Teal-Organizations

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Die Karte basiert auf folgender Liste. Die Cooporate Rebels haben noch zu vielen Unternehmen tolle Interviews geführt.

In Frankreich

Weconomy – statt Economy

Durch beobachten von erfolgreichen Sozialinnovationen und Genossenschaften ist Peter Spiegel mit seinem WeQ.Institut auf diese wegweisenden Megatrends gekommen.

Megatrends, die Peter Spiegel vom WeQ.Institut herausgefunden hat.

Daraus wurde am 3.12.2018 die Bewegung Economy 2 Weconomy gestartet. Sie wollen nun bis 2020 die große kooperative Bewegung sichtbar machen.

Ein brasilianisches Beispiel Semco

Schon als Brasilien noch zu den sogenannten “Entwicklungsländern” gehört, wurde in Ricardo Semlers Unternehmen Semco bereits frei gearbeitet und mit der Ablösung der Diktatur und der Einführung der politischen Demokratie, führte er auch demokratie in seinem Unternehmen ein. Bis heute ist es ein Raum um Kollegen zu treffen und Projekte voran zu bringen, die man selber gerne macht. Es gibt keine festen Arbeitszeiten, keine Zwang und keine Überwachung.

Sie haben sich schon lange vom Wachstumszwang verabschiedet und es wird nicht des Profites wegen gearbeitet. Es geht darum, Bedürfnisse möglichst effektiv zu bedienen und dabei selber gerne zum Arbeiten zu gehen. Im Buch: “Das System Semco” hat Ricardo Semmler sein Prinzip beschrieben.

Gesunder Menschenverstand und geistige Freiheit:

Im Unternehmen gibt es keine Regeln mehr. Stattdessen ist jeder dazu aufgefordert, seinen gesunden Menschenverstand bei jeder Entscheidung einzusetzen. Um richtig zu entscheiden darf auch ausführlich kommuniziert, gefragt und wiedersprochen werden. Im Unternehmen darf alles angesprochen werden und zwar von jedem. Arbeiter dürfen ihre Ideen vortragen und den Ideen der Leitung wiedersprechen.

Für einfache Kleinigkeiten gibt es Hinweise und Ratschläge an die man sich halten kann, bspw. Uniform der Arbeiter, doch deren nichteinhaltung wird nicht bestraft. Um auf den Markt und die Kundenbedürfnisse reagieren zu können wird Flexibilität erwartet, welches durch Regeln gehemmt würde.

Die Arbeiter werden aufgefordert ein Werkskomitee zu wäheln, welches die Interessen der Arbeiter vertritt und deren Ideen und Vorschläge ans Management kommuniziert.

Generell gibt es Konferenzen für alle Entscheidungen, in denen jeder Mitarbeiter (unabhängig des Einkommens immer nur eine Stimme hat.

Jeder Arbeiter darf sein Arbeitsbereich so weit wie möglich selber einrichten, abschaffen etc. Außerdem darf jeder selber überlegen, welche Arbeit er interessant findet, wo er gute Ideen hat und was er gerne lernen möchte. Danach kann jeder seinen eigenen Bereich wählen und ihn auch alle 2 bis 5 Jahre wechseln. Um ein geistiges erlahmen der Arbeiter vorzubeugen, sollte jeder Mitarbeiter möglichst alle 5 Jahre seinen Arbeitsbereich rotieren. Für die Arbeiter werden alle nötigen Fortbildungen bezahlt und es werden sogar Unterstützungen für ein Studium gewährt. Mitarbeiter dürfen bzw. sollen im Unternehmen lernen. So ist ausprobieren, spielen, ändern und Fehlermachen etwas ganz natürliches, nerviges aber wichtiges um weiterzukommen und auf dem Markt zu bleiben.

Das Unternehmen setzt darauf, dass nicht alle Arbeiter einfach nur Befehle ausführen, sondern manche zu “Kathedralenbaumeistern” werden, die durch Innovation und Ideen ihre Träume im unternehmen umsetzten. So gibt es die “Kerntruppe für Technik und Innovation” die vollkommen frei arbeiten, leben und erfinden dürfen und nicht einmal wirtschaftliche Erfolge nachweisen müssen. Sie dürfen Urlaub machen, durch Unternehmen schlendern oder in ihrem Großraumbüro an Maschinen basteln. Nicht alle in diesem Kreativteam sind techniker. Auch unausgebildete Frauen und Jugendliche befinden sich darin, um kreativ zu sein.

Alle Fortbildungen, Arbeitsplatzrotationen und sonstige Ideen müssen stet vom Mitarbeiter kommen. Das Unternehmen ist offen demgegenüber, muntert sie jedoch nicht zu Fotbildungen etc. auf, solange es nicht im Interesse des Unternehmens ist. Was zählt ist die Eigeninitiative eines Arbeiters. Wer seine Freiheit und sein Denken nicht nutzt, ist ein Arbeiter wo sonst über all auch. Berufe und Aufgaben, wo es keine Möglichkeiten gibt, sich selbst zu entwicklen (Sekretäre, Kontrolleure) wurden weitgehend abgeschafft.

Manche Jugendliche die neu eingestellt werden (auch unstudierte) haben die Möglichkeit ohne Aufgaben überall dort mitzuarbeiten, wo sie wollen und ihre Ideen überall einfließen zu lassen.

Jeder Mitarbeiter ist ein Mensch und ist gleich an Rechten:

Im Unternehmen Semco gibt es keine festgeschriebene Hierarchien, worauf sich ein Manager verlassen kann. Statt einer Hierarchie-Pyramiede mit der Verantwortlichkeiten und Befehlsketten, gibt es eine Struktur aus drei Kreisen wo es zur Mitte hin um immer größere Entscheidungen geht.

Die Hierarchie bei Semco ist nicht eine Pyramiede sondern ein Kreis, wo man sich bespricht, aber niemand gehorchen muss.
Die Hierarchie bei Semco ist nicht eine Pyramiede sondern ein Kreis, wo man sich bespricht, aber niemand gehorchen muss.

Ricardo Semler mit seinen engsten Beratern treffen in der Mitte die wesentlichen Entscheidungen für die Richtung des Unternehmens. Die Wichtigste Aufgabe des mittleren Kreises ist es, die richten Leute, Ideen und Projekte zu fördern und ein kathalysator für Entwicklung zu sein.

Partner sind Leiter der einzelnen Einheiten und Abteilungen, die so gut wie autonom entscheiden können und die Berater nur bei Zweifel ansprechen.

Unter den Kollegen befinden sich nicht nur die Arbeit sondern auch Teamleiter und sogar Manager. Wer wie viel verdient ist nicht von natur aus gegeben.

Es gibt Arbeiter, Vorarbeiter, Ingenieure und Manager, wie auch bei anderen Unternehmen. Sie haben auch alle verschiedene Gehälter (welche meist unter den jeweiligen Gehältern in anderen Unternehmen liegen) doch genießen die Bosse ihr Ansehen nur auf Grund ihrer höheren Erfahrung, Verantwortung oder Ausbildung. Von Natur aus hat jeder Mitarbeiter gleiche Rechte und so kann es sein, dass ein Manager auch mal als Arbeiter arbeitet mit dem entsprechenden Gehalt.

Die Mitarbeiter wählen ihre Manager, Teamleiter und Vorarbeiter selbst und zweimal im Jahr werden diese durch einen Fragebogen bewertet und wer unter 70 Punkte erhält, ändert seinen Führungsstil oder geht von selbst. Bei jeder Bewerbung, auch eines Managers, entscheiden die Untergebenen über dessen Einstellung. Der Bewerber muss daher das Bewerbungsgespräch nicht nur mit den Vorgesetzten sondern auch mit den Untergebenen machen.

Um seinen Menschenverstand einsetzen zu können, herrscht bei Semco vollkommene Ehrlichkeit und Transparenz. Alle Gehälter werden offengelegt, alle Geschäftszahlen und alle Gewinne, wodurch sich alle ein Bild über den Stand des Unternehmens machen können und ihre persönliche Arbeit dort einordnen. Dass jeder Cash-Flows und Bilanzen verstehen kann, werden die Mitarbeiter auf Wunsch entsprechend fortgebildet.

Die Arbeiter werden niemals Kontrolliert oder Übwerwacht. Es herrscht reines Vertrauen. Wer das mutmaßlich missbraucht, wird rausgeschmissen. Alle Kontrollaufgaben wurden weitgehend abgeschafft.

Es gibt keine Managerparkplätze oder sonstige Vorzüge für bestimmte Mitarbeiter.

Solidarische Teamarbeit

Das Arbeitspensum, die Arbeitszeit und die Produktionsziele legen die Arbeiter in Teams selber fest. Dazu sind auch die Werkskommitees wichtig, wo Teamübergreifen die Produktionsauflagen, Anforderungen und Mengen verteilt werden. Im Mittelpunkt der Arbeit steht bei Semco der Kunde und dessen Bedürfnisse, Wünsche und sogar Träume.

Alle Mitarbeiter haben Gleitzeitkonten, die sei ggf, mit ihren Kollegen abgleichen, sodass Produktionsprozesse funktionen. Die Zeit wird jedoch nicht vorgegeben. Jedes Team und jeder Mitarbeiter ist aufgefordert, selber so effektiv wie möglich zu sein, alles unnötige zu lassen und lieber früher nach Hause zu gehen, um sich auszuruhen oder mit anderen Mitarbeitern sich austauschen. So wurden Aktenberge, Kontrollen und lange Nachrichten abgeschafft. Kurze Nachrichten genügen nach dem Prinzip: “Lesen, Verstehen, Ausführen, Papier wegschmeißen”.

In den Teams wird gemeinsam entschieden, wann man mit der Arbeit beginnt, wer was erledigt und wie der Gewinn unter den Arbeitern aufgeteilt wird. Ebenso wird die Art wie produziert wird, den Arbeitern überlassen. So haben die meisten Teams Fließbandarbeiten komplett abgeschafft und stellen als Team das ganze Produkt her. Dadurch verlängert sich etwas die Produktionszeit, was das Gehalt der Arbeiter ein Stück verringert, dafür ist die Qualität besser und die Arbeiter sind glücklicher.

Semco beteiligt alle Beschäftigten an Gewinnen welche den Abteilungen und Teams direkt gegeben werden, welche die Gewinne erziehlt haben. (Dadurch zieht das Management und die Arbeiter an einem Strang.)

In fast allen Abteilungen bei Semco legen vom Mitarbeiter bis zum Manager alle ihr Gehalt selber fest, auch die Bonuszahlungen. Dazu gibt es lediglich folgende Leitpunkte über die verhandelt werden:

  1. Wie viel würden Sie anderwo verdienen? (Dazu werden den Angestellten nationale Gehaltsspiegel  gegeben)
  2. Was verdienen andere bei Semco mit gleichen Fähigkeiten, Zeitaufwand und Verantwortung? (Gehaltsspiegel von Semco zum vergleich)
  3. Wie viel verdienen Freunde mit ähnlichem Background?
  4. Wie viel Geld brauchen Sie, um ein angenehmes Leben führen zu können?”

Besonders die letzte Frage ist zentral und das was ein Arbeiter dort angiebt, wird versucht nicht zu unterschreiten.

Dazu gibt es, besonders für Manger, die Möglichkeit ein Risiko-Gehalt zu wählen. Dabei kann das Gehalt bis um 25% sinken, wenn es dem Unternehmen schlecht geht, dafür aber auch bis zu 50% ansteigen, wenn das Unternehmen satte Gewinne erwirtschaftet. Das verhilft dem Unternehmen zu mehr Flexibilität, da die Löhne im gewissen Bereich mit der Auftragslage mitgehen.

Was jeder Mitarbeiter lernen muss, ist es, Aufgaben abzugeben, zu delegieren und Arbeit und Verdienst zu teilen, statt sie zu Horten um Macht zu halten. Menschen horten gerne bestimmte Kenntnisse und Fähigkeiten, um unersetzbar zu sein. Doch hier geht es gerade darum, zusammen zu arbeiten. Beim delegieren und Aufgaben verteilen ist es dabei wichtig, inhaltlich zu motivieren und nicht äußerlich Vorgaben machen, in die sich einer einzwängen muss. Es geht darum einen Raum zu schaffen, zur Erledigung der Aufgaben durch einen anderen.

Das Unternehmen ist jedoch kein Papa. Das Unternehmen leiht den Arbeitern nur so viel Geld, wie sie selber zurückzahlen können und die Arbeiter nicht in moralische Unfreiheit geraden und damit geistig unfrei werden.

Kapitalismus – Sozialismus

Durch sein Konzept ist das Unternehmen weder sozialistisch noch Kapitalistisch sonder vereint von beidem das beste. Vom Kapitalismus hat Semco die persönliche Freiheit und den Individualismus übernommen und vom Sozialismus die Fähigkeit brüderlich gerecht zu teilen. Es geht darum, Wirtschaftlich auf guten Beinen zu stehen, jedoch nicht um endloses Wachstum und statt egoistische Marktwirtschaft kooperieren sie mit allen Partner, die offen für eine Zusammenarbeit sind. Kredite von Banken versucht Semco nie anzunehemn.

Weiterführende Links zu Semco:

Die Zusammenfassung des Buches: “Das System Semco” auf Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Das_Semco_System

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Film:

Auf Augenhöhe

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Musterbrecher

Ein Film porträtiert Unternehmen ohne Wissenshierarchien, mit Experimentierfreudigkeit und viel mehr…

Quellen und Links:

Mehr zu social Entrepreneurship auf Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Social_Entrepreneurship und Ashoka: https://www.ashoka.org/social_entrepreneur

Workshopanfragen und Rückmeldungen

Erstellt von Helmut@bildungsagenten.com (Sozialunternehmer und Organisationsentwickler)